Forschungsschwerpunkt

 

 

      Durch alle von der Autorin behandelte Themenbereiche zieht sich wie ein roter Faden das musiksoziologische Interesse an der Frage, in welcher Weise wirtschaftlich-soziale Gegebenheiten das Denken und die Ideen über die Stellung und den Wert von Musik formen. Jungmann hinterfragt, ob und wie dies konkrete Auswirkungen auf die Struktur der Musik haben kann, in welchem Maße das musikalische Schaffen und Ausüben an soziale Schichtung gebunden ist, wie gesellschaftliche „Oberschichten“ sich bestimmter Musikformen bemächtigen können und diese sogar zu Machterhalt und Befestigung ihrer sozialen Position gebrauchen können.

      So konnte beispielsweise aufgezeigt werden, wie die Musiktheoretiker des karolingischen Mittelalters mit ihren Theorien den gregorianischen Gesang als Mittel zur Festigung der göttlich begründeten Macht des Klerus und der hierarchischen Gesellschaftsordnung gebrauchten (vgl. „Die Macht der Musik“), wie während des ganzen Mittelalters hindurch daher auch der weibliche Gesang nicht akzeptiert, dafür aber ein bestimmter, angeblich „männlicher“ Gesangsstil gefördert wurde (vgl. „Gesang im Mittelalter“).

      Am Tanz des 15./16. Jahrhunderts ließ sich demonstrieren, wie Adel, Patrizier und oberes städtisches Bürgertum eine Tanzweise kreierten, die, mit dem Segen des Klerus versehen, zur Abgrenzung gegenüber den verachteten Verhaltensweisen der „Unterschicht“ führte (vgl. „Tanz, Tod und Teufel“).

      Mit der Untersuchung zum 19./20. Jahrhundert widmete sich die Autorin der Entwicklung der Musik im sich entwickelnden kapitalistischen Wirtschaftssystem und den sich wandelnden, vom Idealismus beeinflussten Musiküberzeugungen des Bildungsbürgertums, eine Musikanschauung, die die „eigene“ Kunst idealisierte und damit wiederum die gesellschaftliche Abgrenzung nach „unten“ implizierte (vgl. „Sozialgeschichte der klassischen Musik“).

      Im Vergleich der musikalischen Ideengeschichte von BRD und DDR wurde der Zusammenhang des jeweiligen politisch-ökonomischen Systems mit der Herausbildung zweier unterschiedlicher Ausformungen von Musiküberzeugungen auf deutschem Boden herausgearbeitet und ihr jeweils ideologischer Charakter aufgezeigt (vgl. „Kalter Krieg in der Musik“ und "Musikalische Moderne in Ost und West...").

       Die Publikation zur Geschichte der Gesangvereine (2013) veranschaulicht mit einer Quellenausgabe die politische Rolle der bürgerlichen Gesangvereine, deren nationalistische Überhöhung des "deutschen Liedes" zum nahtlosen Übergang der Vereine ins nationalsozialistische System beitrug (vgl. "... Wir haben doch nur gesungen!").

         Der Artikel Hitlers Hausmusik (2017) zeigt, wie Hausmusik unter dem Nationalsozialismus dem privaten Bereich entzogen werden sollte und als öffentliche nationale Aufgabe propagiert wurde.

           Mit der "Wiederentdeckung" des musikalischen Formats der Kantatenkomposition im "Dritten Reich" und seiner ausführlichen Dokumentation findet der seinerzeit besonders enge Zusammenhang zwischen politischer Agenda und musikalischer Faktur seinen Ausdruck (vgl. Die nationalsozialistische Kantate. Vernichtet - verschollen - vergessen? (2020)).